
zur
zeit
zungentanz
taten
unterwegs
aestheticks
schweinepriester
vita
salon
linx
kontakt
|
|
|
|
sonnenpfeile
I Es
gab eine Sonne im All, einen glühenden Mittelpunkt für
Rotierende, eine Orange mit Anziehungskraft. Wer kann sagen,
welche meteoritennarbigen Himmelskörper Ellipsen um sie
zogen? Sonnen pflegen an ihren Planeten festzuhalten, auch wenn
sie mehrere davon haben. So geben die funkelnden Sterne ihren
dunklen Begleitern Farbe, Licht und, auf mehr oder weniger
ausbalancierten Bahnen (natürlich in Jahrmilliarden und
Aberjabrilliarden gemessen), Halt.
II Es gab
eine Jägerin im Wald, die schoß mit langen weißen
Pfeilen. Und alles Wild, auf das sie anlegte vom biederen
Salatkopf bis zum karierten Tofu-Bock opferte sich ihr
freiwillig nur um der Schönheit dieser Pfeile willen. Auch
das Dickicht und der Regen liebten diese Frau. Als viele
Generationen später haarige Männer auf ihre Spuren
stießen und die Verschwundene (vielleicht etwas
spornstreichs) zur Göttin ausriefen, machten die Tiere den
Rummel nicht lange mit, und die Jäger gingen alle leer aus
und wurden ärgerlich und seßhaft. Nur die Vögel in
den Wipfeln sangen weiter Ihr Lachen, wie sie es einst von Ihr
gelernt hatten. Da fällten die Siedler die Bäume und
gossen sie zu Stahlmasten um, bis (wenige Zeiteinheiten nach dem
finalen Knarzen der Nutzholzspaliere) auch das Summen der Drähte
verstummte.
III Als ich erwachte, war das flache
Land mit einem geometrischen Geflecht aus Mauern überzogen,
die in der so parzellierten Landschaft ziemlich unschöne
Schatten warfen. Ich wunderte mich, daß es bereits so spät
war, stellte aber schnell fest, daß die Zeit keineswegs
stillstand: Sie hatten einfach die Sonne rund um die Uhr in den
Zenit gezwungen. Wer das getan hat, weiß ich nicht. Ich
denke, es war das Regime, doch das Regime meint, es sei wegen der
Terroristen. Sie zeigten einen Bekennerbrief dazu, doch ich konnte
ihn wegen der Unschärfen des Monitors nicht lesen. Als ich
mich ratlos kratzen wollte, stellte ich fest, daß sie mir
das Geschlecht genommen hatten, und so sehr ich mich auch
anstrengte, konnte ich mich doch beim besten Unwillen nicht
erinnern, ob ich nun Wann oder Meib gewesen war vorher sehr
ärgerlich das, zumal sowas alle potentiellen Sexpartner immer
gleich wissen wollen, sonst investieren sie vom Vorspielstart ab
weniger Emotiopse (und ich habe schließlich meine Zeit auch
nicht gestohlen). Das ständige Orange der Sonne ging mir
allmählich auf den Wecker. Des Blinzelns müde, senkte
ich den Blick (mitsamt meiner zugegeben ziemlich
attraktiven Wimpern) um 40 Grad in Bodenrichtung. Da sah
ich im hitzemürben Linoleum meiner Parzelle einen weißen
Pfeil stecken.
IV Sie war Mutter geworden zu
einer Zeit, da sie sich selbst noch gut an ihre eigene Mutter
erinnern konnte, und der war es mit ihr damals nicht anders
gegangen. Sie kannte das Gefühl, Tochter zu sein, ebenso, wie
eine Tochter zu haben, und obgleich sie die Gefühle
voneinander unterschied, hatte sie keine wirkliche Wahl: hätte
niemals ihre Tochter mit ihrer Mutter vertauschen können zum
Beispiel, oder sich selbst gebären, wie es die Sonnen
manchmal zu tun scheinen, wenn sie allein sind in der Nacht und
das All schwarz glänzt. Wenn ihre Töchter Töchter
bekämen, würden sie sich alle deutlich an ihre Mütter
erinnern, während die Mütter durchaus ihre jeweiligen
Erinnerungen an die eigenen Mütter hätten, und dabei
gleichzeitig an ihre Töchter denken könnten. Selten aber
nur durchbricht eine der Frauen den Kreis und singt mit den
Sonnen, streitet sich mit einer Giga-Glutorange augenzwinkernd um
die aufgeblasenen Gasriesen und pockennarbigen Monde (und was der
sogenannten Himmelskörper mehr sein mögen), oder tanzt
um ihr Leben unter dem kreischenden Applaus der Gefiederten.
text
© duke meyer 1993
als materialcollage für
ruth .
|
|
|