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nachtsprung
(streifzuege vol. three)
Den
grauen Elefantenfuß gemeint ist natürlich mein
eigener, Anmerkung des Verfassers, also: Den grauen Elefantenfuß
stampfhaft aufgesetzt auf den nackten Asphalt, dessen tags
gespeicherte Wärme aufgesaugt ins hochnervöse Fleisch,
und auf der Zunge ein wenig Durst auf Überraschung so
in die Nacht eilen, die Uhr im Kopf auf Off stellen für einen
stummen Flirt mit dem Neumond; Tatort: lauwarme
Sommernacht.
Schnellen
Fluges vorbei an den lebensabstinenten Liebespaaren in der Fu-Zo,
nur den Fußboden spüren, sich ziehen lassen von den
Wolken, und wünschen: das Fachwerk dem Holzwurm, und dies
ganze Gotik- und Renaissance-Gekirchel dem Abgas, hei ho, nichts
beleidigt mein männliches Auge mehr als der Anblick einer
Madonna zum Teufel mit dem Tussitum wo sind die
Vampinen von Atom-Realia?
Die Nacht wie Alkohol in der
Nase. Weg von allen Wänden, Reißaus aus dem Haus wie
´ne Rakete von der Rampe. Recht so. Vielleicht drei Nächte
von dreihundertfünfundsechzig ertrage ich das mitteleuropä´
Klima, mein Nabel braucht Luft. Lust auf Kopfsprung in den warmen
Staub, den dünnsten Stoff um die Lenden, und mit Tabak,
Papier und Filzschreiber ausgerüstet die steinerne Geometrie
abstöbern.
Rundblick. So sieht er also aus, unser
Ladenschluß und das sind seine Vorteile. Außer
dem Verschwinden der ganzen Zombies, selbstredend vor
allem: Keine sogenannte "Musik" stört mehr blöde
daherplätschernd von allen Seiten die wahren Rhythmen der
Freude... Jene Rhythmen, deren Wert darin gipfelt, daß sie
niemals erschallen, sondern mir allein wie exklusiv im Kopf
hämmern meinen mürben Metabolismus elektrisieren
auf halb nach Sex. Der schönste, der teuerste Walkman ist das
eigene Ohr, unbelästigt von Außenberieselung auf
Empfang geschaltet. Genießerisch dem Pochen lauschen, dem
tiefen Bum-Bum, das zu subtil für Normalos
emporsteigt von ganz unten: Trommelschlag aus Gesteinsschichten
tief unter den Fundamenten des tranig pennenden Kaffs.
Leicht,
hier auszublenden, was tagsüber Gültigkeit beansprucht.
Ich springe hoch und danke dem erbärmlichen Herrgott der
Christenheit für die Erfindung der Infrarotstrahlen und en
masse Verbreitung von x-mal Kabelkanal. Eines schönen Tages
wird außer uns paar Wildmenschen keine Sau mehr auf der
Straße sein alle werden sie ihre Tick-Tack-Freizeiten
only at the Wohnklo komfortablissimo abvegetieren, und per
Telemusement glücklich, noch glücklicher, ja, sozusagen
happy-super-plus werden und dies ist der Tag, da wir uns
die Hand reichen werden, Passant. Dann endlich werden wir unter
uns sein und möglicherweise bessergelaunt: wir, die
lebendigen alten Hustekinder von Ozonia Minus.
Und außer
dem Euphoria-Takt unserer blutigen Pumpen nichts weiter von
Bedeutung, was? Nur´n paar Bullenstreifen hie und ´n
paar Besoffene da... und sie werden ihre ungleichen Händel
schon unter sich ausmachen, nicht wahr? Denn nur wir sind frei.
Nur wir kennen jede Brücke, jede Schrottplatz-Connection, die
wichtigsten Comp-Codes, sämtliche Keilschriften vom Kiez, und
am wichtigsten in fast jedem Wüstenviertel
einen für uns unverschlossenen Hauseingang!
Ich warte
kurz, bis die pumpende Nikotinlunge nachkommt. Autos huschen an
meinen Hüften vorbei, und Insassen flitzen bleichgesichtig
mit glasigem Geglotz von Zwang zu Zerstreuung, von Pflicht zu
Hoffnung, in ewiger Enge, und wieder zurück wirklich
auf einer anderen Ebene. Die Rastlosigkeit jener äußert
sich immer in ausschließlich physikalischer Geschwindigkeit
und die kostet Benzin und bringt keine Flashs außer
dem Dummgeklingel des Radios, und das macht taub und
elend.
Unsere Geschwindigkeit aber sei Hexerei! Nackter
Looping für Seele. Ja, unsere Orgasmen, die enden nicht als
Wichse an der Wand, sondern an den Menschen, an denen wir sie
haben, nicht wahr? Glück das messen wir schon lange
nicht mehr an seiner Länge. Glück mißt sich allein
in der Tiefe des Moments.
Naja. Erzähl das mal so
einem Endverbraucher. Kunststück. Forget it. This is junkie
nation, und digitalisiert wubbelt Tranquilizing durch Drähte
und Äther und versorgt das Volk mit Frieden. Rauskommt
leidenschaftsloses Gesockse. Ehekrach bezetweh Kistenknatsch im
Wohnroom, auf den Designkojen ein Geschlechtsleben so zwischen
Dornröschen und Schlachthof, und auf den Freß- und
Frustfeten die zwanghaft intriganten Flirts so abgestanden und
ereignisarm dahergestammelt wie die Seifenopern, aus denen sie
Themen wie Meinung beziehen das ist "junk nation"
von außen.
Natürlich sieht das von innen
betrachtet wieder to-tal anders aus (hicks). Wer ssselba kein
Bürger-Junkie is', k-kann sich natürlich total null ey
burps ey reinff... reinvasetzn, wie fffickengeil die ihr
Ffffeeling finden.
Wir Grobianiden sehen ja nur die
Abhängigkeit sehen tränenleere Augen blicklos
erblassen im Bann perfekter Bildauflösung... schaudern uns
vor der Kunstglätte polsterstolzer Trimmdich- Muskulatur...
sind entsetzt vor den Flachfühldenk-Reizfluten, die sie
wissenschaftswund und amüsiergläubig in sich
hineinsaufen. Aber sind die Unterschiede nicht manchmal gering?
Mach einen Test!
Injiziere dir doch selber mal so eine
Dreiminutenharmonie im Weichspülerschongang, mit viel
Hallwatte, voll rundem Satt-Sound wer ist wirklich gefeit
gegen leuchtende Glotzies, feuchte Höschen, verzerrte Muwimus
(istgleich Mundwinkelmuskel, Anmerkung des Verfassers)
vergessen wir da nicht selber manchmal, daß auch wir uns so
abgrundtief verabscheuen und psychomeucheln möchten, wie wir
sonst fähig sind, uns für unsere Schwächen zu
lieben? Ja nein dieses Schwächenlieben, das
macht den Unterschied schon aus, Neonwölfin.
Wo bist
du im Moment? Ich äuge in die Nacht, und meine Bleckzähne
spiegeln laserlike die Punktlichter der spärlichen Sterne.
Deren Daten kenn ich: Doppelsonne Sirius neun, Weißball Wega
sechsundzwanzig, und Andromeda Schwestergalaxia gleich zwei
Mil-li-onen Lichtjahre weit weg! Oder, im Journalistenjargon
geschnoddert: Ist ja eine interessante Installation aber
was will uns die Schöpfin damit sagen? Na schön.
Der, sagen wir mal, "sinnstiftende Moment" dieser
augenfälligen Hohlheit von Kosmos erschließt sich
zumindest dem Bauch des Ästheten eher als dem Hirn des
Betriebswirtschaftlers, oder?
Eine Coladose liegt leer und
gedellt direkt in der Straßenmitte meiner Optikschußlinie.
Verkehr ist keiner mehr, alle Ampeln blinken nur zu meiner
bescheidenen Ehre vor sich hin, und so renne ich los keuch
und kicke das verbeulte bunte Blech mit der Zehe in die
Höhe: daß die Stille der Stadt sich erschreckt
zurückzieht wie eine in Eiswasser getauchte Vorhaut, BOING
KLONK DISCHEPPER, wann hat man schon mal eine ganze Häuserschlucht
als Echokammer gratis und vom Getöse geschützt
schicke ich meinen Menschenruf hoch hinauf, über die Giebel,
an den Stromdrähten vorbei, ab zu den Wolken.
Es ist
spät. Kühle senkt sich langsam zwischen Haut und
Sommerkluft, geschätzt noch zehn Gramm Tabak und drei
Streichhölzer übrig, und neben Tempo-Tüchern,
Papierknäuels und dem mittlerweile ausgelaufenen
Filzschreiber fische ich drei Mark fünfzig in schmutzig
klapperndem Silber wie Brösel aus der Tasche. Mit dieser
Bilanz sind die restlichen Erlebnismöglichkeiten der Nacht
indiscotabel... und Berlin ist wieder nur ein nutzloses Wort auf
einem blauweißen Schild, das zur Autobahn weist.
Schritt
für Schritt mit polyesterumspannten Elefantenquanten den
grauen Steinteppich klopfend, im Rücken die armen
Eingesperrten in den Häusern, zur Rechten die geparkten
Eigentumskutschen, zur Linken ein immaterieller Dämon, der
mein relatives Unbefriedigtsein über diese Nacht Silbe für
Silbe in (noch zu arrangierende) Musik translated ein Meter
vor mir mein eigenes keuchendes Herz, das, durch die Rippen
gerutscht, in meiner Brust ein technisches Ticken hinterlassen hat
mein verdammtes Metronom, das mir den Takt klickt auf der
Rückwärtsstraße zur Heim-Höhle, zurück
in den weichen Rest der gealterten Nacht, in den summenden Schlaf,
bis ins Kreischen, Zähneblecken und Blutspritzen eines im
Moment noch nicht interessanten Alltags.
text
© duke meyer 1986
teuto talk .
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