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hai
Auftritt
Wasserfaun
Erlaß der im Großen Kreislauf
vereinigten Bach-, Tümpel-, Fluß-, Teich-, See- und
Meeresbewohner, also aller schwimmenden, treibenden, blubbernden
und glucksenden Geschöpfe des "Erde" nur genannten
Wasserplaneten Ozeania (hier vertreten durch mich: hai!), an die
sogenannte Menschheit, also:
An alle Bevölkerungsschichten
der uneinigen Staaten von Asien, ´ropa, 'merika, 'frika,
'stralien, samt umliegender Bohr-, Vulkan-, Halb-, Verkehrs- und
sonstiger Inseln unsoweiter'n'soweiter und immer so weiter, hier
vertreten durch den tierischen Gästeschwarm der hiesigen
Trockenzelle, ergeht folgende Forderung (aufgefächert in neun
Flossen):
Flosse Eins. Verlangt wird die offizielle und
vollständige Rückgabe der Flüsse und Meere
im Urzustand, bitte an ihre angestammten Bewohner, welche
allesamt älter sind als Ihr. Eure Art stammt von uns ab,
jeder und jede Einzelne von Euch ist auch mal ein Fisch gewesen,
hat mit eigenen Kiemen geatmet: im Bauch der Mutter. Ohne uns seid
Ihr nicht.
Zweitens: Ich bin der Hai, ein Gott. Du darfst
auch andere Geschöpfe verehren neben mir.
Einwurf der
Haigöttin: Die Angewohnheit, mein Geschlechtsorgan in
Euren wissenschaftlichen Wälzern als "Kloake" zu
bezeichnen, wirft einen stumpfen Glanz auf eure sexuellen
Phantasien. Legt Ihr Euren Männchen die Eier zur Befruchtung
aufs Sitzkissen oder was...? Auf den Klappstuhl womöglich?
Seid Ihr Camping-Heringe oder wie? Ihr Antiseptis Continentalis
Ihr leidet wohl immer noch an galoppierender "Sapienseritis",
ja, ja. "Kloake" ist das die
"natur"-wissenschaftliche Wertschätzung weiblicher
Feuchtigkeit? Alle Antwort ist naß.
Flosse drei. Ich
wiederhole: Die Gewässer gleich wie tief, wild, heiß
oder Eis, grau, grün, lau, gelb, schwarz, rund oder blau
sind offiziell zurückzubeeignen (oder heißt es:
zurückzuereignen?) den Schillernden Völkern: den
Stromlinienförmigen ebenso wie den Stacheligen und Yrillisch
geformten, desgleichen den mitvergötterten Meeressäugerinnen,
Kieme und Lunge gleichermaßen, sowie Wasserfaun und -Farn
dito, Pottwal bis Plankton und zurück: all jenem, was da
blubbt und krebst, von Ufer zu Ufer erzählt das
weiter, coast to coast. Für jeden aus seinem Element
gefischten Fisch sollt Ihr auf Eurem einen Baum pflanzen ob
Ihr für jeden gestürzten Baum wiederum einen Fisch ins
Wasser setzen müßt oder was, fällt nicht in
unseren Zuständigkeitsbereich sprecht das dann bitte
mit Euren Bäumen ab... Was unsere Hoheitsgebiete betrifft, so
möget Ihr für jede Überfahrt einen Gegenstand
opfern, der Euch die Reise wert ist. Aber laßt das Öl
im Tanker: Es reicht in Sachen "Kloake"...
Zwischenruf
der Haigöttin: ! Wir werden Euren Flugzeugen die Flügel
abschneiden (viertens!) und sie fallen lassen (fünftens!),
wie Ihr es mit unseren lebendigen Kindern tut. (Sechstens!) Denn
unser All ist es, wir sind im Bunde mit allen Elementen.
Besänftigt sie! Ihrem Zorn hättet Ihr nichts
entgegenzusetzen. Neue Algen braucht der Strand? Neue Wetter
kriegt das Land... Nicht mehr Gebete sollt Ihr tätigen,
sondern mehr Taten unterlassen.
Flosse sieben: Schschsch...
Schschsch...
(Der Wasserfaun macht
Meeresgeräusche)
Flosse acht. Die Nacht ist
schwarz und unausleuchtbar tief. Das Weltall beginnt zu Euren
Füßen. Darunter kokelt nur noch der Kern. Diesem Kessel
sind Eure Urmütter entstiegen als trocken krächzende
Amphibillen, dieser Kessel nährt bis zur Stund auch die
größten Affen, dieser Kessel läßt die Wolken
steigen, und diese gießen die durstige Krume wieder: mit
dem, was Ihr übrig hattet und mithineingabt in die ganze
Suppe. Aloha, Capitanos, hoch die Löffel es ist zu
früh, ihn jetzt schon abzugeben. Sich fertigmachen gilt nicht
sich gegenseitig fertigmachen gilt nicht sich selber
fertigmachen gilt nicht so wird es nie fertigwerden
haigottnochmal, so wird kein Mensch fertig damit! Denn dies ist
das Lied vom Anfang trotz Ende, nie zu Ende. Kreisend singt es aus
jeder Schuppe, aus jedem Horn, Dorn, Stachel, Falte, Halm und
Haar, von Nabelschnur bis Kaviar. Es laicht, steigt, tropft und
sinkt. Der Chorus läßt sich auch krakeelen, doch
letztlich müssen wir ihn wiederholen, bis er stimmt.
Umsonst
das Gegurgel industriekompatibler Blutbäder, vergebliche Müh,
all die ausgetüftelten Massaker was soll der ganze
untierische Dauerhorror auf allen Reizrezeptoren? Wißt Ihr
denn nicht mehr... habt Ihr schon vergessen, wie Schönheit
schaudern machen kann? Schaut in die Tiefe, kniet vor der Gischt,
hört die tausendstrahlige Stimme des größten aller
Spiegel. Jede einsame Qualle ist eine Galaxis, eine Milchstraße.
Begreift nicht. Bitte begreift es nicht. Ob diese da (Sterne),
Himmels- oder See-Stern für Menschenhände sind
sie nicht geschaffen. Stellt Fragen, aber erwartet keine Daten,
denn meine Antwort ist naß. Staunt einfach oder
vielfach. Das reicht.
Staunt: stumm wie die Fische hinter
Euren Augen. Die vielen silbrigen Fische sie sind sehr
stark. Eine große Schwerkraft ruft sie. Sie wollen kommen.
Wir nennen es die Strömung. Sie verlangt zu fließen.
Laßt diese... (das Fischgeschöpf holt sich eine
imaginäre Träne aus dem Auge und zeigt sie auf seiner
Handfläche) ...Diamanten über Eure Kiemen rollen.
Schenkt solche flüssigen Steine jemand, der oder die sie
vielleicht nicht ganz verdient hat, aber Ihr nennt es doch
noch Liebe, oder?
Ich bin nur ein Hai, ein konservativer
Klassiker im eh-volusionären Kosmos, und immer im Konsens mit
den umgebenden Kräften. Unten bei uns braucht es keine
Kategorien, nicht gut noch böse, die Großen nähren
die Kleinen und zurück, auch das
Neun-kreisen-um-Eine-Sonnensystem ist nur ein Atom in der Spirale
und die ist gerade unterwegs zu einer Feier, und hungrig
fliege ich mit: ein segelnder Refrain im Gesang der See, mein
Schwung hat Biß, und dessen Zähne wachsen nach, obschon
sie älter sind als die der großen alten Stars, die Eure
Kinder besser kennen vom Jurassi-Quark, doch meinesgleichen ist
Euren Forschern immer fremd geblieben. Meine Arten, vom Siebzehn-
bis zum Siebzehnhundert-Zentimeter-Rumpf verschiedener als Eure
Arten, Rotblütler, gehören zu den letzten
unkontrollierten Geschöpfen in der globalen
Zivilisationskloake. Wir Götter sind alle unzähmbar.
Ihr seid auf unserer Welt. Ohne uns seid Ihr nicht. Grenzen von
Raum und Zeit lehnen wir ab. Wenn Ihr uns tötet, tauchen wir
in Euren Träumen wieder auf. Unsere Finnen pflügen Euren
Schlaf nicht um Euch zu schrecken oder etwas zu rächen,
nein: Nur um Euch das uralte Vorbild zu sein: als freie Nomaden
des Blauen Planeten.
Letztes Wort der Haigöttin: Wenn
das Meer nur noch (von) fern (zu) sehen ist, die Flußströmung
schwarzbraun, und der Bach weg, findest du mich (neunte Flosse)
unten im Ozean Deiner persönlichen Tiefe. Die Kunst allen
Aufstiegs kommt von dort. Doch dieser Abstieg kostet ... (das
Fischgeschöpf wiederholt die Geste mit der Träne)
...Diamanten.
text
& musik © duke meyer 1993 / 2002
hai eibensang .
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