
zur
zeit
zungentanz
taten
unterwegs
aestheticks
schweinepriester
vita
salon
linx
kontakt
|
|
|
|
frueh
am feuer
Wir saßen
zusammen eine Christin, zwei Atheisten, die Goldstein, ich,
und der Odin und überlegten, was zu tun sei. Es fiel
kaum ein Wort, der Regen hatte nachgelassen, es tröpfelte nur
noch, die Zeit war uns lang geworden, wir starrten ins Feuer, und
die Stimmung war ein wenig gedämpft.
Wir
starrten ins Feuer, ich fror, wickelte die Decke enger um mich und
rückte etwas näher an die Christin, und dachte daran,
daß aus dem Kaffee nichts werden würde nicht,
weil der Plastikgriff der Macchinetta im Feuer schon ganz
geschmolzen war und man sie deshalb nicht mehr anfassen konnte,
sondern weil er überhaupt nur deshalb geschmolzen war, weil
der Kaffee ewig nichts werden wollte es brodelte und
brodelte aus der metallenen Schnute, aber es kam keine Brühe
hoch, wahrscheinlich war die Macchinetta sowieso kaputt.
Der
eine Atheist fragt mich nach Papierchen, ich geb ihm die
Papierchen, wobei mir der halbe Tabak rausfällt, aber ich war
wirklich schon müde, und er würde sowieso nicht mehr
lang reichen, also was soll´s, denk ich, wickel die Decke
enger und rück etwas näher ran an die Christin. Wir
starren ins Feuer die Christin, die Atheisten, die
Goldstein, ich, und der Odin und ich ritz eine Rune mit
einem Ästchen in den Staub, Odins Rune, ich meine die eine,
und ich guck zu ihm rüber, aber er grinst nicht, und der eine
Atheist sagt, er geht mal kurz Wasser lassen. Die Flammen
knistern, der andere Atheist legt noch einen Scheit nach
wir haben genug davon und der Regen hat jetzt fast ganz
aufgehört. Es ist nur noch ziemlich kalt.
Ich wickel
die Decke enger und rück etwas näher ran an die
Christin. Da fragt mich die Goldstein, ob ich Feuer habe, und ich
hol meinen Taschenflammenwerfer raus, beug mich zu ihr rüber,
und das Ding macht dann aber nur klick-klick und es kommt kein
Flämmchen. Der Odin gibt ihr Feuer, und ich dreh mir auch
noch eine, und die Christin sagt, ihr wär jetzt ein heißes
Bad recht. Ich wittere die Chance, ein gutes Gespräch zu
beginnen, indem ich den Faden aufgreife und an ihren Gedanken
einen weiteren anknüpfe, aus eigener Werkstatt sozusagen,
also sag ich: "Ja, genau...", und rück ein bißchen
näher an sie ran. Wir starren ins Feuer die Christin,
ein Atheist, die Goldstein, ich und der Odin und hinten am
Horizont wird´s allmählich schon heller. Oben der Mond
nicht mehr ganz rund, und der eine Atheist fragt sich halblaut,
wieviel Uhr es wohl sein mag, und die Goldstein tippt auf halb
oder ganz fünfe, jedenfalls ist es so spät geworden, daß
es jetzt früh ist, und da fragt mich die Christin auf einmal,
was das für ´ne Rune ist: das sei doch eine Rune oder
sowas, die ich da in den Staub geritzt habe oberhalb meiner großen
Zehe, die nackt aus der Sandale ragt, und die obligatorische
Frage, ob mir nicht kalt sei draußen in der Nacht barfuß
in Sandalen, hab ich schon vor drei Nächten beantwortet.
Seine ist das, sag ich, meine die Rune und deute auf Odin, und er
blinzelt kurz rüber, aber er grinst nicht, und ich rück
ein bißchen näher ran an die Christin.
Die
Goldstein, der die Kippe ausgegangen ist, fragt den Odin, ob er
nochmal Feuer habe, und er gibt ihr welches, und die Flamme fährt
ziemlich hoch an der angerauchten Glimme, und ich frag mich, wo
unser einer Atheist abgeblieben ist, aber eigentlich ist es mir
nicht so wichtig, also sprech ich die Frage nicht aus, sondern
wickel mich in meine Decke, während ich befriedigt
feststelle, daß die Christin nicht von mir abrückt. Was
die denn bedeute, fragt mich die Christin und meint die Rune, und
da räuspert sich Odin und legt aber nur noch´n größeren
Ast ins Feuer.
Wir starren ins Feuer ein Atheist,
die Goldstein, ich und der Odin und ich schau der Christin
in die blauen Augen und sag ihr: hey. Willste das wirklich wissen?
Und ich lächel sie an dabei, sehe eine Reaktion in ihrem
Blick, und sie nickt, und sie fragt mich, was ich denn da
gezaubert hätte. Ich lach kurz, mein Blick trifft den vom
Odin, der grinst, und ich sag der Christin: Du vielleicht
sollte ich was zaubern, aber ich hab die Rune jetzt nur einfach so
hingemalt, weil mir danach war, und ob sie nicht ihrerseits auch
manchmal Kreuze in den Sand male, wenn ihr danach sei. Sagt sie,
das täte sie niemals nich´, weil das Kreuz für sie
schon ein heiliges Symbol sei, und das male man nicht einfach so
irgendwo hin, und ob ich das verstünde. Der Atheist verdreht
halb unmerklich die Augen und fängt sich ein Lächeln ein
von der Goldstein, und ich schau kurz zu Odin, und der Odin starrt
ins Feuer wir starren alle ins Feuer, die Christin, der
Atheist, die Goldstein, ich, und der Odin, und es wird jetzt
deutlich schon heller, aber nicht wärmer, und ich rück
ein bißchen näher ran an die Christin.
Weißt
du, sag ich, wie soll ich erklären, sag ich, diese Rune hat
etwas mit Gesang zu tun, sag ich, die hat noch mit vielen anderen
Sachen zu tun, sag ich und guck zu Odin, aber der grinst nur, und
mein Oberschenkel berührt den Oberschenkel der Christin, und
ich denke unwillkürlich daran, wie ich gestern mit der
Goldstein geknutscht habe im Wald und ich starre ins Feuer und
ringe etwas mit Worten und rücke ganz sachte etwas näher
ran an die Christin, die ziemlich schöne Augen hat, und
mutmaßlich sehr hübsche Brüste, obwohl ich das
lieber mit den Händen feststellen würde, aber das geht
jetzt nicht, jedenfalls nicht so einfach, und bringen tut´s
das wahrscheinlich sowieso nicht aus tausendundeinem Grund, der
nichts mit Äußerlichkeiten zu tun hat, aber ich mag das
Gefühl, und ich lege kurz den Arm um sie und ihr ganz
freundlich und nicht irgendwie betulich dabei die Hand auf die
Schulter und grinse, und ich spüre ihren Atem, und ich sag
ihr:
Du, sag ich, wenn ich diese Rune male, dann hör
ich eine Göttin singen. Die Christin zuckt ein bißchen
zurück, mehr seelisch als körperlich, und die hauchdünne
erotische Ahnung zwischen uns ist in dem Moment völlig
zerstört, wie nie dagewesen, und ich hab das dumme Gefühl,
daß ich ein bißchen zu dicht am lei´wanden Leib
der Christin klebe, und sie sagt, ich hätte doch gesagt, das
sei die Rune vom Odin, und der sei doch ein Mann, oder ob sie sich
da täusche, und ich sage, das ist schon so, und ich bin auch
ein Mann, aber das sag ich ihr nicht, und ich starre ins
ausgehende Feuer wir alle starren ins Feuer, die Christin,
der Atheist, die Goldstein, ich, und der Odin und meine
Worte verlieren sich im Staub des kalten Morgens...
Und
plötzlich spricht mich die Goldstein an: Bei euch bist du
doch ein Priester und auf so ein Gespräch hab ich
jetzt überhaupt keine Lust, da geh ich ganz d´accord
mit unserm übriggebliebenen Atheisten, und dann steht der
Odin auf und sagt, er geht jetzt mal in´n Wald, und ich seh
ihm nach, und mir ist nicht mehr kalt, und ich brauch auch kein
heißes Bad jetzt, das nehm ich mir später, und ich will
auch keinen Sex mit irgendwem (ich habe genug davon), und während
ich das denke, lächelt mich die Christin an und legt mir ihre
Hand aufs Knie und macht mir ein völlig unpassendes
Kompliment, das ich hier aus privaten Gründen nicht
wiedergeben möchte, und die Goldstein kichert, und ich sehe
die feinen Blätter der Birken und die noch feuchten glatten
Stämme der Buchen, und das Laub und den Staub, und während
ich noch spreche, denk ich an jemand ganz anderes, und ich wollte,
ich hätte Flügel wie die Gefiederten, oder wäre
selbst Gesang.
Also greif´ ich wie selbstverständlich
zur Trommel.
musik
& text © duke meyer 2001
CD "die neue
loreley" jan. 2005 hörprobe .
|
|
|